Selbstorganisation fördern: Wie Führungskräfte das Dilemma zwischen Kontrolle und Eigenverantwortung lösen können

Viele Führungskräfte stehen vor einer grundlegenden Herausforderung: Wie fördert man Selbstorganisation und Eigenverantwortung im Unternehmen, wenn gleichzeitig das Gefühl besteht, dass das Team noch nicht bereit dafür ist? Dieses Dilemma tritt immer wieder auf, vor allem in Organisationen, die eine größere Flexibilität und agile Strukturen anstreben. Der Schlüssel zur Lösung liegt in einer feinen Balance zwischen der Entwicklung der Mitarbeitenden und der Gestaltung von Systemen, die Eigenverantwortung ermöglichen. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir, warum diese Balance so entscheidend ist und wie Führungskräfte den Übergang zur Selbstorganisation erfolgreich gestalten können.

Das Dilemma der Führung

Führungskräfte haben oft das Gefühl, dass ihre Mitarbeitenden noch nicht „reif genug“ sind, um Entscheidungen selbstständig zu treffen oder eigenverantwortlich in einem agilen Rahmen zu agieren. Viele befürchten, dass mangelnde Erfahrung oder Unsicherheit im Umgang mit komplexen Themen dem Unternehmen schaden könnte. Gleichzeitig wünschen sich Mitarbeitende jedoch häufig mehr Freiraum, um ihre Fähigkeiten zu entfalten und eigenständig Entscheidungen zu treffen.

Dieses Spannungsverhältnis führt oft zu einem Kreislauf, in dem Führungskräfte zu stark eingreifen, weil sie das Gefühl haben, das Team zu schützen oder das Unternehmen vor Fehlern zu bewahren. Dies behindert jedoch genau die Entwicklung, die notwendig ist, um die Selbstorganisation zu ermöglichen.

Der Fokus auf Systeme statt auf Menschen

Eine Möglichkeit, dieses Dilemma zu durchbrechen, besteht darin, den Fokus nicht ausschließlich auf die Entwicklung der Mitarbeitenden zu legen, sondern auch auf das System, in dem sie arbeiten. Selbstorganisation erfordert nicht nur reife und kompetente Mitarbeitende, sondern auch ein stabiles System, das ihnen die richtigen Rahmenbedingungen bietet, um diese Verantwortung zu übernehmen.

Systeme wie Holakratie schaffen eine klare Struktur, in der Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege definiert sind. Dies hilft, Unsicherheiten zu reduzieren und gibt den Mitarbeitenden das Vertrauen, innerhalb dieses Systems selbstständig zu handeln. Führungskräfte müssen dabei lernen, den Kontrollanspruch loszulassen und stattdessen darauf zu vertrauen, dass die Organisation in der Lage ist, die richtigen Antworten auf operative Fragen zu finden – ohne, dass sie jedes Mal eingreifen müssen.

Die Rolle der Führung in selbstorganisierten Strukturen

Auch wenn das Ziel ist, mehr Verantwortung an die Mitarbeitenden zu übertragen, bleibt die Rolle der Führungskraft weiterhin wichtig. Der Übergang zur Selbstorganisation erfordert ein Umdenken in der Art, wie Führung gestaltet wird. Es geht nicht mehr darum, operative Entscheidungen zu treffen oder Mitarbeitende zu überwachen, sondern darum, eine Vision vorzugeben, die richtigen Strukturen zu schaffen und das Team zu befähigen, innerhalb dieser Strukturen zu arbeiten.

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass Selbstorganisation bedeutet, dass es keine Führung mehr gibt. Das Gegenteil ist der Fall: Führungskräfte übernehmen in solchen Modellen eine Vorbildfunktion. Sie definieren die strategische Ausrichtung, schaffen klare Ziele und sorgen dafür, dass die Strukturen im Unternehmen ein selbstorganisiertes Arbeiten ermöglichen. Dabei müssen sie sicherstellen, dass die Mitarbeitenden die nötigen Ressourcen und Schulungen erhalten, um innerhalb dieser Strukturen erfolgreich zu agieren.

Schulung und Unterstützung als Erfolgsfaktor

Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist die Notwendigkeit von Schulungen und der fortlaufenden Unterstützung der Mitarbeitenden. Selbstorganisation kann nicht von heute auf morgen funktionieren, vor allem dann nicht, wenn die Belegschaft vorher stark von der Führung abhängig war. Der Übergang muss begleitet werden, etwa durch Schulungen, Coaching und Möglichkeiten zum Austausch.

Durch kontinuierliche Unterstützung können Führungskräfte sicherstellen, dass die Mitarbeitenden nicht nur in ihrer Fachkompetenz, sondern auch in ihrer Fähigkeit zur Eigenverantwortung wachsen. Dabei sollten Führungskräfte die Entwicklungen in der Organisation genau beobachten und bei Bedarf steuernd eingreifen – jedoch ohne dabei in alte Muster der Mikromanagements zurückzufallen.

Selbstorganisation als langfristiger Prozess

Der Wechsel zu einem selbstorganisierten Unternehmen ist kein schneller Prozess. Es erfordert Zeit, Geduld und die Bereitschaft, Fehler als Lernchancen zu begreifen. Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Weg zur Selbstorganisation holprig sein kann, insbesondere in den ersten Phasen. Wichtig ist, das Ziel im Auge zu behalten: eine Organisation, in der Mitarbeitende nicht nur fähig, sondern auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und eigenständige Entscheidungen zu treffen.

Der Wert dieses Übergangs liegt nicht nur in der gesteigerten Effizienz oder Agilität, sondern auch darin, dass die Mitarbeitenden stärker in die Erreichung der Unternehmensziele eingebunden werden. Sie fühlen sich als aktiver Teil des Ganzen und sind motivierter, weil sie wissen, dass sie einen echten Beitrag leisten können.

Fazit

Selbstorganisation ist eine vielversprechende Möglichkeit, Unternehmen flexibler und innovativer zu gestalten. Doch der Weg dorthin ist kein einfacher. Führungskräfte müssen lernen, den richtigen Rahmen zu schaffen, der sowohl den Mitarbeitenden als auch dem Unternehmen die notwendige Struktur und Sicherheit gibt. Dies erfordert nicht nur ein Umdenken in der Führung, sondern auch eine klare Ausrichtung auf die Entwicklung von Systemen, die Eigenverantwortung ermöglichen.

Indem Führungskräfte die Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen finden, können sie ihre Organisationen langfristig stärken und die Mitarbeitenden befähigen, selbstständig und eigenverantwortlich zu agieren.


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