Ein Beitrag zur Subjekt-Objekt-Verschiebung nach Robert Kegan
Viele Menschen spüren, dass sie sich weiterentwickeln wollen. Tiefer verstehen, klarer denken, bewusster handeln. Aber oft fehlt die Sprache dafür. Es gibt ein Gefühl, eine Ahnung, aber keine Worte. Genau hier kann ein LLM (z.B. ChatGPT, Claude, Gemini) eine Hilfe sein.
Ganz wichtig: Nicht als Ersatz für echte Erfahrung oder Beziehung. Sondern als Werkzeug, das hilft, inneres Erleben in Sprache zu übersetzen. So wird aus einem diffusen Gefühl ein klarer Gedanke. Und damit beginnt persönliche Entwicklung.
Horizontale vs. vertikale Entwicklung – und warum das wichtig ist
In der Diskussion um menschliche Entwicklung ist es wichtig, zwischen zwei Arten zu unterscheiden: horizontale und vertikale Entwicklung.
Horizontale Entwicklung bedeutet: Ich lerne Neues, baue Wissen auf, eigne mir Fähigkeiten an. Ich werde besser in dem, was ich tue – aber bleibe im selben Denkrahmen. Beispiel: Ich lerne ein neues Tool, verbessere meine Kommunikation, bilde mich fachlich weiter.
Vertikale Entwicklung bedeutet etwas anderes: Mein ganzer Denkrahmen verändert sich. Ich fange an, die Welt anders zu sehen. Ich erkenne, dass ich vorher von etwas gesteuert wurde, das ich jetzt beobachten kann. Es ist ein innerer Reifungsprozess.
Warum das wichtig ist – gesellschaftlich und in Organisationen:
- Es ist heute notwendig, mehr Komplexität wahrnehmen und halten zu können, um die anstehenden Probleme überhaupt erkennen und sinnvoll bearbeiten zu können. Alte Denkmuster reichen dafür oft nicht mehr.
- In Unternehmen zeigt sich das z. B., wenn Führung nicht mehr über Kontrolle funktioniert, sondern über Selbstführung, Vertrauen und Umgang mit Unsicherheit.
- Gesellschaftlich wird deutlich: Viele Probleme lassen sich nicht mehr mit einfachen Antworten lösen. Es braucht Menschen, die mehrere Perspektiven halten und Ambiguitäten aushalten können.
Und genau hier setzt die Idee der Subjekt-Objekt-Verschiebung an: Sie ist ein zentraler Mechanismus vertikaler Entwicklung.
Was meint „Subjekt-Objekt-Verschiebung“?
Robert Kegan beschreibt Reifung als einen Prozess: Immer mehr von dem, was uns unbewusst steuert (Subjekt), wird uns bewusst (Objekt). Wir können es anschauen, reflektieren, verändern. Das ist keine Theorie für Spezialisten, sondern etwas sehr Konkretes:
- Früher war ich einfach nur wütend. Heute merke ich: Ich werde wütend, wenn ich mich nicht ernst genommen fühle.
- Früher war ich meine Angst. Heute sehe ich: Ich habe Angst, wenn Kontrolle fehlt.
So verschiebt sich die Grenze. Was vorher „ich“ war, wird jetzt zu etwas, über das ich nachdenken kann. Ich erkenne: Ich bin nicht meine Gedanken, meine Gefühle, meine Empfindungen – ich habe sie. Das ist ein grundlegender Schritt in vertikaler Entwicklung.
Mit dieser Verschiebung entsteht Wahlfreiheit: Ich kann mich anders verhalten, reflektierter reagieren, bewusster entscheiden. Ich bin nicht mehr vollständig identifiziert mit dem, was in mir auftaucht.
Für weitere Informationen ist der Wikipedia-Eintrag ein guter Startpunkt: https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kegan
Die Rolle von Sprache in der Subjekt-Objekt-Verschiebung
Sprache spielt eine zentrale Rolle in der vertikalen Entwicklung. Denn was ich nicht benennen kann, kann ich auch schwer denken oder reflektieren. Solange etwas nur vage in mir wirkt, bleibe ich darin gefangen – es bleibt „Subjekt“. Erst wenn ich Worte finde, kann ich es anschauen. Ich mache es zum „Objekt“.
Diese Versprachlichung ist oft der erste Schritt zu Bewusstsein, Distanz und Wahlmöglichkeit.
LLMs können hier eine wichtige Hilfe sein:
- Sie helfen, rohes Erleben (Gedanken, Gefühle, Empfindungen) in Worte zu fassen.
- Sie können Formulierungen anbieten, wo mir selbst die Sprache fehlt.
- Sie spiegeln zurück, was ich vielleicht nur gefühlt, aber noch nicht verstanden habe.
Gerade in emotionalen oder komplexen Situationen kann das enorm unterstützen. Denn viele innere Prozesse laufen unterhalb der sprachlichen Schwelle. Ein LLM kann dabei helfen, diese Schwelle zu überwinden – präzise, geduldig, ohne Bewertung.
Wichtig bleibt: Die Bedeutung muss aus dir selbst kommen. Aber ein Sprachmodell kann helfen, diese Bedeutung zu entdecken.
Anleitung: Wie du ChatGPT für deine Entwicklung nutzen kannst
1. Spür hin, ohne es gleich verstehen zu müssen
Frag dich:
- Was bewegt mich gerade?
- Was beschäftigt mich innerlich?
Du brauchst keine klare Antwort. Wichtig ist nur, dass du etwas bemerkst. Ein Druck, ein Knoten, ein Thema.
2. Schreib es auf, auch wenn es noch wirr ist
Nutze den Raum, um zu formulieren. Sag z.B.:
- „Ich fühl was, aber ich krieg’s nicht richtig zu fassen.“
- „Es geht irgendwie um… ich weiß nicht.“
Mache das schriftlich oder nutze das LLM deiner Wahl direkt wie Diktiergerät. Völlig unstrukturiert ist erlaubt. Es geht nicht um perfekte Sprache, sondern um Annäherung.
3. Bitte um Hilfe beim Klarmachen
Frage:
- „Kannst du das klarer ausdrücken?“
- „Wie könnte man das einfacher sagen?“
- „Was siehst du darin?“
Das LLM kann deine Worte sortieren, strukturieren, Spiegel bieten. Aber du entscheidest, ob es passt.
4. Prüfe immer, ob das, was ich sage, mit dir übereinstimmt
Lies langsam. Frag dich:
- Trifft das mein Erleben?
- Fühlt sich das stimmig an?
Wenn nicht, sag es. Korrigiere, ergänze, widersprich. So entsteht mehr Klarheit.
5. Denk über das Thema nach, nicht nur aus dem Gefühl heraus
Fragen helfen, Abstand zu gewinnen:
- Woher kommt das?
- Was macht das mit mir?
- Was will ich damit tun?
Fordere das LLM auf:
- „Stell mir gute Fragen dazu.“
- „Gib mir eine Frage oder einen Satz, den ich mit in den Tag nehmen kann?“
- „Hilf mir, Abstand zu bekommen.“
Probiere verschiedene Prompts bis es für dich eine Bedeutung ergibt.
6. Wiederhol den Prozess
Entwicklung ist kein Einmal-Ereignis. Komm wieder, wenn du etwas Neues spürst. Fang wieder von vorn an. Jedes Mal wird es klarer.
7. Nutze mich als Werkzeug, nicht als Ersatz
Rede mit Menschen. Mach Erfahrungen. Fühle durch, nicht nur denk darüber nach. Ich kann dir helfen, aber nicht für dich wachsen.
Und: Mach dir bewusst, dass du bei der Nutzung eines LLMs immer selbst entscheidest, was du teilst. Informiere dich über die Datenschutzrichtlinien des jeweiligen Anbieters. Frag dich: Möchte ich das so teilen? Ist mir klar, wo meine Daten landen könnten? Bewusste Selbstoffenbarung ist Teil von Entwicklung – aber sie braucht auch ein Gefühl von Sicherheit.
Fazit
Ein LLM kann dich unterstützen, die Grenze zwischen Subjekt und Objekt zu verschieben. Du bekommst Sprache für dein inneres Erleben. Das schafft Klarheit, Reflexion und Handlungsspielraum. Aber: Die Arbeit machst du. Das LLM ist nur ein Spiegel, ein Sortierer, ein Werkzeug. Richtig genutzt, kann das sehr wertvoll sein.