Im Podcast Organisationen entwickeln spricht Christina Grubendorfer von becommebetter mit Björn Schneider, Holacracy- und Agile-Coach bei Hypoport SE. Im Gespräch geht es um die Funktionsweise der Holakratie, die Unterschiede zu klassischen Hierarchien und die Herausforderungen bei der Umsetzung.
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Holakratie – kein Ende der Hierarchie
Holakratie wird oft missverstanden als radikale Abschaffung von Führung. Tatsächlich handelt es sich um ein hierarchisches System – jedoch nicht von Menschen über Menschen, sondern von Kreisen und Rollen, die jeweils einem klaren Zweck (Purpose) folgen. Kreise können weitere Kreise oder Rollen enthalten, wodurch sich eine Art Arbeits-Hierarchie bildet.
Neue Rollen, neue Führung
Zentrale Rollen in der Holakratie sind der Lead Link und der People Lead. Der Lead Link interpretiert den Purpose seines Kreises, verteilt Ressourcen, ordnet Rollen zu und kann Prioritäten festlegen. Der People Lead dagegen kümmert sich um disziplinarische Aspekte und persönliche Entwicklung. Damit wird Führung aufgeteilt und transparenter gestaltet, anstatt in einer einzelnen Teamleitung zu verschmelzen.
Mehr dazu auch hier: Führung in der Holakratie
Entscheidungsprozesse – kein „Tischhauen“ mehr
In klassischen Organisationen entscheidet oft die Führungskraft, wenn Diskussionen festgefahren sind. In der Holakratie gilt dagegen der konsultative Einzelentscheid: Entscheidungen werden in Rollen getroffen, wobei Rückmeldungen anderer eingeholt werden sollen. Der Weg dorthin ist anstrengender – erfordert Klarheit, wer entscheidet, und die Fähigkeit, Feedback einzubeziehen, ohne in Endlosdiskussionen zu versinken.
Spannungen als Treiber
Statt von Konflikten spricht die Holakratie von Spannungen: Lücken zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte. Spannungen können Probleme oder Ideen markieren und werden durch strukturierte Prozesse aufgegriffen. Ziel ist nicht, Reibung zu vermeiden, sondern sie produktiv in die Weiterentwicklung der Organisation zu überführen.
Typische Missverständnisse
- Führungskräfte hofften anfangs, Selbstorganisation würde sie von „Menschenthemen“ entlasten – was nicht geschieht.
- Mitarbeitende dachten, sie könnten „machen, was sie wollen“ – tatsächlich ist Holakratie komplexer, da klare Entscheidungsregeln eingehalten werden müssen.
Praktische Beispiele
- Ein HR-Kreis kann sich in Unterkreise wie Recruiting, Employer Branding oder Arbeitsrecht aufteilen.
- Strategiearbeit wird oft mit Wertepaaren ausbalanciert, etwa „neue Features entwickeln“ vs. „technische Schulden abbauen“. Ein Kreis legt für eine bestimmte Zeit fest, welcher Pol Vorrang hat.
Fazit
Holakratie ersetzt nicht Führung, sondern verteilt und strukturiert sie neu. Entscheidungen werden transparenter, Verantwortlichkeiten klarer – zugleich steigen die Anforderungen an alle Beteiligten.